Fahrzeugbeschaffung für Menschen mit eingeschränkter Mobilität
Leitfaden
Ein Behindertentransporter ist und bleibt eine Sonderanfertigung, welche Ihren Bedürfnissen detailliert Rechnung trägt oder eben nicht. Eine seriöse Planungsarbeit lohnt sich auf jeden Fall. Dieser Leitfaden soll Ihnen, unabhängig von Automarke und Typ, nützliche Tipps vermitteln und auf wichtige Details beim Erwerb eines Fahrzeuges und dessen Innenausbau aufmerksam machen. Die nachfolgende Darstellung ist aus unzähligen Gesprächen und Diskussionen mit Anwendern entstanden, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für zusätzliche Tipps von Ihnen als zukünftigen Benutzer sind wir sehr dankbar.
Klärung der Befürfnisse
Ein Fahrzeug für den Rollstuhl-Transport muss ein multifunktionales Fahrzeug sein. Einerseits ein vollwertiges Fahrzeug für Passagiere ohne Gehbehinderung und andererseits flexibler Rollstuhl-Transporter für Passagiere mit Gehbehinderung und Personen in Rollstühlen oder vielleicht möchten Sie gleichzeitig Materialtransporte durchführen?
Die folgenden Fragen sollten Sie sich zuerst stellen:
- Wie viele Personen möchte ich transportieren und wie viele davon im Rollstuhl sitzend?
- Bevorzuge ich einen Rollstuhl-Lift, eine Rampe oder Auffahrschienen?
- Transportiere ich gleichzeitig Waren?
Somit ist hier ein Grundsatz-Entscheid zu fällen, welche Kategorie von Basisfahrzeug beschafft werden soll.
Klärung der Möglichkeiten
Reicht mein Führerschein für meine Bedürfnisse? Je nach Führerschein dürfen mehr oder weniger Personen transportiert werden, zusätzlich ist das Gesamtgewicht zu berücksichtigen.
Personen, die den PW-Führerschein nach dem ab 1. April 2003 oder im Ausland erworben haben, dürfen ein Fahrzeug bis maximal 9 Sitzplätze und 3,5 Tonnen Gesamtgewicht lenken. Ab einem Alter von 21 Jahren und einem Jahr Fahrpraxis kann eine zusätzliche Prüfung abgelegt werden (D1). Damit können dann Fahrzeuge mit total 17 Plätzen über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht gelenkt werden (nicht gewerbsmässiger Transport).
Personen, die vor dem 1. April 2003 den PW-Führerschein erworben haben, bekamen die Kategorie D1 „geschenkt“ und dürfen in der CH Fahrzeuge bis max. 3,5 Tonnen Gesamtgewicht und total 17 Sitzen inkl. Fahrer lenken. In der EU dürfen mit diesem Ausweis keine Busse über 9 Plätze gefahren werden!
Sie möchten mehr Personen transportieren, das Fahrzeug wird schwerer als 5 Tonnen oder Sie führen die Transporte gewerbsmässig durch? Rufen Sie uns bitte für eine persönliche Beratung an.
Unsere nachfolgende Checkliste für Rollstuhl-Transporte führt Sie Punkt für Punkt durch die einzelnen Bereiche.
Das Basisfahrzeug
Busse ab 10 Plätzen total brauchen eine Homologation für Personentransport (M2 oder M3). Hier fallen leider schon einige Fahrzeugmodelle aus der Wahl. Bitte klären Sie diese Punkte zu Beginn mit Ihrem Fahrzeuglieferanten. Lassen Sie sich von ihm schriftlich bestätigen, dass das gewählte Fahrzeugmodell die Homologationsvorschriften für Personenwagen oder eben Kleinbusse erfüllt (M2 oder M3 Homologation).
Bei verschiedenen Marken werden gleich aussehende Modelle mit unterschiedlichen Bezeichnungen, Ausstattungen und Motorisierungen angeboten. Es empfiehlt sich in jedem Fall, uns vorgängig zu kontaktieren. Lassen Sie sich die erforderliche Nutzlast von uns berechnen, wenn Sie wissen, welche Ansprüche Sie an das Basisfahrzeug stellen.
Bei frontgetriebenen Fahrzeugen ist der Laderaumboden tiefer als bei heckgetriebenen. Damit wird der Einstieg bzw. die Einfahrt mit Rollstühlen etwas erleichtert. Die Sicht nach vorne ist jedoch oft eingeschränkt. Bei Allrad-Fahrzeugen ist zu beachten, dass die Nutzlast aufgrund des höheren Eigengewichts beträchtlich sinkt (die Einstieghöhe steigt nochmals um einige Zentimeter an). Eine sinnvolle Alternative zu einem 4x4-Fahrzeug kann eine Differentialsperre darstellen (in der Regel nur bei Heck-Antrieb).
Wenn Sie ein Automatikgetriebe wünschen, fragen Sie bitte Ihren Garagisten, ob diese Optionen für Ihr Fahrzeug erhältlich sind.
In der Regel sind Optionen ab Werk günstiger als eine Nachrüstung in Einzelfertigung. Darum sollte der Preis des Basisfahrzeuges immer zusammen mit dem Ausbau berücksichtigt werden. Es sind unter Umständen die folgenden Optionen ab Werk erhältlich:
- Innenverkleidung und Dachverkleidung im Fahrgastraum
- Innenbeleuchtung
- Getönte Scheiben
- Schiebetür-Automatik
- Zusatz-Heizung im Fahrgastraum
- Einpark-Hilfen
- Anti-Kollisions-Assistent
Da wir fast täglich mit Basisfahrzeugen zu tun haben, kennen wir die aktuellen Möglichkeiten der einzelnen Fahrzeugmodelle. Wir beraten Sie markenneutral und unverbindlich.
Nun zum Innenausbau
- Boden
- Verkleidung im Fahrgastraum (Wände & Türen)
- Dachverkleidung
- Sitze im Fahrgastraum
- Triflex-Air
- Rolli-Box
- Future-Safe
- Showroom
- Berechnung Personenzahl
- Berechnung Anzahl Rollstühle
- Rollstuhl-Befestigungen & Rückenaufprallschutz
- Lüftung
- Klima-Anlage
- Heizung im Fahrgastraum
- Rollstuhl-Lift oder Auffahrrampe?
- Trittstufe
- Weiteres Zubehör
Der Boden muss vor allem zwei Funktionen erfüllen. Er soll für alle Mitfahrer trittfest und gleitsicher sein und gleichzeitig dient er der Aufnahme von versenkten Verankerungen für die Befestigung von Rollstühlen und eventuell von Sitzen mit 3 Punkt-Gurten sowie Kopf- und Rückenaufprallschutz. Der Boden muss zertifiziert sein.
Hier stellt sich die Grundsatz-Frage, ob der Fokus auf dem Fahrkomfort für die Passagiere oder auf der Flexibilität und Schnelligkeit/Funktionalität des Sitz-Systems und der Rollstuhlverankerungen liegt.
Die Ausführung der Sitze und deren Montageart beeinflussen die Funktionalität des Fahrzeuges stark.
Sie möchten einzelne Sitze mit wenigen Handgriffen entfernen oder wegklappen? Dann sind Einzelsitze in Fahrtrichtung zwingend erforderlich. Demontable Sitze werden mit Kipphebelverschlüssen in Bodenschienen verankert, die Sitz-Füsse sind auf Wunsch mit Transporträdern ausgestattet. Sie bevorzugen eine fest eingebaute Bestuhlung? Auch das ist kein Problem.
Der Innenausbau ist sehr individuell, gemeinsam finden wir die für Sie passende Lösung. Für eine optimale Platzausnutzung in allen Anwendungsfällen werden in der Bodengruppe versenkte Schienen eingebaut.
So individuell wie die Bestuhlungsvarianten sind auch die Sitzbezüge. Es gibt sie in Velours, Stoff, Kunstleder oder Inkontinenz-Bezug. Um Ihr Personal zu entlasten und knappe Nutzlasten zu kompensieren, können wir Ihnen (für Kleinbusse) auch Sitze in Leichtmetall anbieten. Als Ausstattung empfehlen wir Klapparmlehnen und Griffe oben. Die Sitze wie auch die Bodenplatte und die Verankerungssysteme sind typengeprüft und entsprechen den neuesten Sicherheitsvorschriften.
Für Personenwagen bietet das Triflex-Air Sitz- und Rollstuhl-Verankerungssystem wegklappbare Sitze und 3-Punkt-Sicherheitsgurten für alle Fahrgäste. Ausserdem brilliert das System mit einer genialen und einfachen Verankerungstechnik für Rollstühle welche im Boden integriert ist .
Für Personenwagen bietet das ROLLI-BOX Sitz- und Rollstuhl-Verankerungssystem wegklappbare Sitze und 3-Punkt-Sicherheitsgurten für alle Fahrgäste. Das System arbeitet mit einer Verankerungstechnik für Rollstühle an ausklappbaren Balken
Die ist System für Rollstuhl-Verankerungs mit 3-Punkt-Sicherheitsgurten und Rücken-Aufprallschutz für Rollstuhlfahrer. Das System basiert auf konventionell demontablen Einzelsitzen und Bodenschienen für die Verankerung von Rollstühlen.
Lassen Sie sich die Systeme in unserem Showroom persönlich zeigen und vergleichen Sie sie.
Die maximale Personenzahl ergibt sich aus der verfügbaren Nutzlast nach Einbau der ganzen Ausrüstung. Das heisst, das Leergewicht des Fahrzeuges mit vollem Tank und das Totalgewicht der Zuladung (71 bis 75 Kg pro Person) dürfen das Gesamtgewicht des Fahrzeuges nicht überschreiten. Bezüglich Führerschein gilt das bereits oben erwähnte (Personenwagen = max. 9 Plätze total).
Der Platz im Laderaum eines Fahrzeuges entscheidet, wie viele maximal Rollstühle mitgeführt werden können. Gemäss asa-Richtlinie gelten folgende Angaben:
Ein normaler Standardrollstuhl mit 3-Punkt Gurte beansprucht die Fläche von mindestens 65 x 125 cm. Wichtig sind daher folgende Masse:
1. Laderaumlänge (abzüglich des Platzes den die Plattform der Hebebühne oder Rampe benötigt)
2. Lichte Breite zwischen den beiden Radkasten (finden noch 2 Rollstühle nebeneinander Platz??)
3. Distanz vor den Radkasten (finden noch 1 oder 2 Rollstühle vor den Radkasten Platz??)
Die Sicherheit der Rollstuhlfahrer ist ein sehr zentrales Thema. Durch die Tatsache, dass es keine einheitlichen Rollstühle geben kann, müssen die Verankerungs-Systeme auch flexibel verwendet werden können.
Wir schlagen in der Regel ein System mit Spanngurten/Ratschen und Spezialhaken vor; bauen aber auf Kundenwunsch auch andere Systeme ein (TRIFLEX AIR, Futuresafe, ROLLIBOX etc.). Nicht nur der Rollstuhl muss gesichert sein, auch die Person im Rollstuhl! Gemäss asa-Richtlinie Nr. 14 (gültig ab 1.10.2015) sind für Neufahrzeuge 4-Punkte Verankerungen mit 2- oder 3-Punkt Sicherheitsgurten Pflicht.
Ein Rückenaufprallschutz für den Rollstuhlfahrer wird empfohlen. Systeme wie Protectus oder SafetransPlus stehen hier zur Verfügung.
Ein ausführlicher Vergleich würde hier zu weit führen, darum empfehlen wir Ihnen unseren Showroom, dort können Sie alles "live" sehen, anfassen und ausprobieren. Bei neu auf dem Markt erschienenen Rollstuhlverankerungssystemen muss je nach System auch der genaue Ablauf des Be- und Entladens im Detail durchdacht werden. Wir teilen unsere langjährigen und fundierten Erfahrungen gerne mit Ihnen.
Bitte lesen Sie auch unsere Empfehlung zum Rollstuhlkauf unter "zu guter Letzt".
Eine gute Lüftung soll Frischluft ins Wageninnere bringen, ohne dass sich die Passagiere über zu starken Durchzug beklagen. Schiebefenster in den Seitenwänden sind daher relativ schlecht geeignet. Ausstellfenster sind, wo noch erhältlich, für die Entlüftung vorzuziehen. Bezüglich Diebstahlgefahr sind alle Öffnungen in den Seitenwänden wenig empfehlenswert, da diese beim Abstellen des Fahrzeuges nicht offengelassen werden können.
Lüftungen im Dach sind nachträglich einbaubar oder zum Teil ab Werk erhältlich. Es wird unterschieden zwischen einer statischen Be- oder Entlüftung in Form einer Lüftungshaube, wie man sie oftmals auch bei Campingfahrzeugen antrifft und einer "Zwangs" Be- oder -Entlüftung in Form eines elektrischen Ventilators welcher wie ein Pilz auf dem Dach montiert wird. Ob nun die eine oder andere, bzw. eine Kombination der beiden Varianten die beste Lösung ist, sollte unter Einbezug der Fahrzeuggrösse abgeklärt werden. Bei jeder Dachlüftung sollte in Betracht gezogen werden, dass die Gesamthöhe des Fahrzeuges ändert (Garage-Einfahrten).
Eine solche Anlage ist je nach Marke und Modell eine zusätzliche Ausrüstung oder schon ab Werk bestellbar. Zu beachten ist hier das Gewicht der Installation und die Tatsache, dass ein Klimakanal im Dach in der Regel ein Hochdach verlangt. Mit einer solchen Anlage kann nicht nur die Temperatur, sondern auch die Luftfeuchtigkeit geregelt werden.
Die Heizung im Fahrgastraum kann ergänzt/verbessert werden. Hier ist zu unterscheiden zwischen einer Standheizung, (Warmluft- oder Warmwasser-Systeme sind möglich); und/oder einem zusätzlichen Wärmetauscher im Fahrgastraum, der mit dem Kühlwasser des warmen Motors betrieben wird. Dieser bewirkt eine bessere Heizverteilung im Fahrgastraum (vor allem im Heckbereich).
Die Entscheidung über das zu wählende, optimale Verladesystem wird beeinflusst durch
- Ladehöhe
- Ladegewicht (Patient + Rollstuhl)
- Ladefrequenz, d.h. wie oft und wie schnell soll auf- und abgeladen werden
- Ladepersonal (Starker Chauffeur, oder zierliche Krankenschwester?)
- Budget
Auch leicht gehbehinderte Personen an Stöcken (oder Rollator) schätzen eine Hebebühne, da sie so quasi "barrierefrei" ins Fahrzeug gelangen können. Beim Kauf eines Rollstuhl-Lifts sollte darauf geachtet werden, dass Service und Reparatur innert 1-2 Tagen garantiert werden können. Es ist ratsam, ein Produkt zu kaufen, welches Ihr Einbaupartner gut kennt und für welches er auch einen Service oder eine Reparatur ausführen kann. Von uns eingebaute Hebebühnen beziehen wir von langjährigen Partnern. Wir kennen die Produkte, führen fachgerechte Servicearbeiten durch und haben gängige Verschleissteile an Lager. Eine Reparatur ist nach telefonischer Terminabsprache kurzfristig möglich. Die Garantiezeiten für Lift-Produkte variieren von 1 bis 3 Jahren Garantie auf Teiledefekte und Vor-Ort-Reparaturen. Erkundigen Sie sich vor dem Kauf. Gemäss unseren AGB gewähren wir für die von uns gelieferten Produkte und Einbauten eine Garantie von 3 Jahren.
Verladerampen und Schienen sollten möglichst leicht und einfach zu handhaben sein. Die Halterung im Fahrzeug darf nicht stören, soll wenig Platz wegnehmen und nicht klappern.
Das Gesetz verlangt, dass seitlich montierte Tritte nicht vergessen werden können bzw. seitlich über das Fahrzeug vorstehen wenn die Türe geschlossen wird. Andere Tritte sind unzulässig. Wir empfehlen einen elektrisch betriebene Tritt, welcher beim Öffnen und Schliessen der Schiebetüre automatisch aus- und einfährt bzw. einklappt.
Wie Griffe, Haltestangen, Hutablagen, Sonnenschutz, Feuerlöscher, Auto-Apotheke, Lautsprecher-Anschlüsse und Radioanlagen sind Optionen, welche von Fall zu Fall mit dem gewählten Innen-Ausstatter abgesprochen werden sollten. Auch Krückenhalter / Schirmständer können ein willkommenes Zubehör sein. Wir beraten Sie gerne.
Zu guter Letzt
Bitte achten Sie beim Kauf eines Rollstuhls darauf, ob dieser auch für den Transport in Fahrzeugen geeignet ist. Dies ist leider nicht bei allen Modellen der Fall. Um die Sicherheit des Rollstuhlfahrers zu erhöhen, kann der Rollstuhl auch mit einem Kraftknoten aufgewertet werden. So wird der Transport in Fahrzeugen bei vielen "ungeeigneten" Rollstuhlmodellen möglich. Sie können den für Ihren Rollstuhl passenden Adapter direkt bestellen oder uns damit beauftragen, wenn Sie ihn durch uns montieren lassen möchten.
Auf jeden Fall empfehlen wir Ihnen eine unverbindliche persönliche Beratung vor dem Fahrzeugkauf. Wir arbeiten markenneutral mit den Markenvertretungen zusammen. Zudem haben wir täglich mit dieser Materie zu tun und kennen die Eigenschaften der einzelnen Fahrzeugmodelle. Unser Ausstellungsraum und die laufende Fertigung erlauben es uns, Ihnen viele Komponenten "live" zu zeigen bzw. vorzuführen.